Die Hälfte der Autofahrer überholen Radfahrer mit zu wenig Sicherheitsabstand

In Deutschland müssen laut Straßenverkehrsordnung Autos beim Überholen von Radfahrern mindestens anderthalb Meter (innerorts) und zwei Meter (außerorts) Abstand halten. Doch wie oft wird der vorgeschriebene Sicherheitsabstand tatsächlich eingehalten?

Erste Ergebnisse der Messung von Überholabständen: Die Hälfte der Autofahrer überholen Radfahrer mit zu wenig Sicherheitsabstand

In Deutschland müssen laut Straßenverkehrsordnung Autos beim Überholen von Radfahrern mindestens anderthalb Meter (innerorts) und zwei Meter (außerorts) Abstand halten. Doch wie oft wird der gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsabstand tatsächlich eingehalten? In einem gemeinsamen Projekt der TH Wildau und dem Fahrradclub ADFC Brandenburg messen Radfahrerinnen und Radfahrer mittels einem Ultraschall-Sensor auf ihren Alltagswegen den Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern.

Nach über 5.000 aufgezeichneten Überholvorgängen in Brandenburg und Berlin liegen nun erste Ergebnisse der Messung vor: Nur die Hälfte der überholenden Kraftfahrzeuge hielten sich bisher an den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand. Für den Landesvorsitzenden des ADFC Brandenburg, Stefan Overkamp, sind diese Ergebnisse nicht überraschend: „Leider spiegeln diese ersten Ergebnisse die gefühlte Realität vieler Radfahrer wider, auch meine. Jeder kennt die Situation, wenn ein Auto wieder viel zu nah überholt. Die Unsicherheit in solchen Momenten ist groß, selbst wenn kein Unfall passiert. Dieses subjektive (Un-)Sicherheitsgefühl hält viele Menschen vom Radfahren ab, gerade in den Städten und dort, wo sichere Radwege fehlen.“
Dabei würde das Einhalten des Sicherheitsabstands immer wichtiger: „Immer mehr Menschen und immer ältere Menschen steigen aufs Rad. Auch Kinder haben das Recht sicher zur Schule zu fahren. Diese Gruppen sind besonders schutzbedürftig. Daher würden wir uns von der Polizei auch verstärkte Kontrollen wünschen.“

Mehr Platz fürs Rad

Auch das Einhalten des Sicherheitsabstands wird immer schwieriger, da die Autos immer größer werden und die Verkehrsteilnehmer immer diverser: „Autos haben in Deutschland seit vielen Jahrzehnten viel mehr Platz zur Verfügung als andere Verkehrsteilnehmer. Das muss sich ändern. Wer die Verkehrswende und lebenswerte Städte will, der muss den Platz auf der Straße neu verteilen und Prioritäten anders setzen. Radfahrer müssen sicher sein und Radfahren muss sich sicher anfühlen. Dazu gehört erstens eine Flächenumverteilung und mehr Platz fürs Rad. Zweitens eine sichere Infrastruktur für Radfahrer und drittens endlich Tempo 30 in unseren Städten und Gemeinden“, so Overkamp weiter.

Das Projekt „OpenBikeSensor“

Der OpenBikeSensor ist ein Open-Source-Projekt, bei dem mithilfe eines am Fahrrad befestigten Sensors mittels Ultraschall gemessen wird, wieviel Abstand überholende Fahrzeuge gehalten haben. Die gemessenen Überholabstände werden aufgezeichnet und anschließend ausgewertet.

In Brandenburg kommt der OpenBikeSensor im Rahmen eines Projekts der TH Wildau zum Einsatz: In dem Citizen-Science-Projekt „Zu nah? – Mit Abstand mehr Sicherheit!“ sind insgesamt mehr als 50 Personen in Brandenburg und Berlin auf Messtour. Interessierte Bürgerinnen und Bürger haben die OpenBikeSensoren zunächst unter Anleitung im Makerspace der Hochschule selbst zusammengebaut und dann an ihren Fahrrädern befestigt. Seit Mai wird gemessen. Dabei möchte das Projekt insbesondere auch herausfinden, welche Umstände im Straßenverkehr das zu nahe Überholen begünstigen.   

„Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit dem ADFC Brandenburg und die Möglichkeit, das ADFC Brandenburg OBS Portal für unser Projekt nutzen zu können. Wir hoffen, das Projekt OpenBikeSensor in Brandenburg und Berlin damit noch bekannter zu machen, und dass sich noch viele Personen dem Projekt anschließen“, so Zoe Ingram, Projektleiterin von „Zu nah? – Mit Abstand mehr Sicherheit“.

Den teilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern gebührt dabei ein ganz besonderer Dank: „Als wir Anfang des Jahres unser Citizen Science-Projekt gestartet haben, war es vollkommen ungewiss, wie viele Daten dabei am Ende herauskommen. Jetzt sind wir überwältigt über die inzwischen 5.000 aufgezeichneten Überholvorgänge, mehr als 5.000 gefahrene Kilometer und die engagierten Radfahrenden, die ihre Zeit in den Bau der OpenBikeSensoren gesteckt haben und täglich damit unterwegs sind.“

Auf einer Karte lässt sich erkennen, an welchen Stellen besonders oft zu dicht überholt wird. „Wir freuen uns über die Kooperation mit der TH Wildau und dass auf dem neuen Portal die Überholvorgänge gespeichert und dargestellt werden. Mit dieser Veröffentlichung können auch Straßenverkehrsplaner von der Messung profitieren und die Radverkehrsführung ihrer Stadt verändern und für Radfahrer sicher gestalten“, so Overkamp.

 

Ergebnisse der Vorauswertung (Stand 15. August 2022)

-    n =  5450
-    Anteil unterhalb von 1,5 Meter: 48,6 %

bis 0,5 m

0,5 - 0,75

0,75 - 1

1 - 1,25

1,25 - 1,5

1,5 - 1,75

1,75 - 2

2 - 2,25

2,25 - 2,5

2,5 - 2,75

2,75 - 3 m

 

71

171

408

840

1161

1096

756

517

271

125

34

Links

Portal mit getrackten Überholvorgängen:
https://obs.adfc-brandenburg.de/


Projektseite des Citizen-Science-Projekts „Zu nah? – Mit Abstand mehr Sicherheit!“ vom Innovation Hub 13 der TH Wildau:
https://innohub13.de/wir-forschen/zu-nah/

Oben Bike Sensor-Projekt:
https://www.openbikesensor.org/


https://brandenburg.adfc.de/pressemitteilung/die-haelfte-der-autofahrer-ueberholen-radfahrer-mit-zu-wenig-sicherheitsabstand

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

    weiterlesen

  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

    weiterlesen

  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

    weiterlesen

  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

    weiterlesen

  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

    weiterlesen

  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

    weiterlesen

Bleiben Sie in Kontakt